"Keine Parallelgesellschaft dulden"

Erstellt von Anke Philipp, MM || Intern

Die DJK Jungbusch setzt zur Gewaltprävention auf ein Mentorenprojekt / Ziel: Demokratie und Werte vermitteln

Die Hetze im Internet brachte das Fass zum Überlaufen: Vom tollen starken Mann am Bosporus war da die Rede, vom Kämpfen und Durchgreifen - gerne auch mittels Todesstrafe. Der Verfasser nicht irgendwer, sondern ein Fußball-Trainer. Kann der noch ein Vorbild für den Nachwuchs sein? Nein, meinen die Verantwortlichen des Sportvereins DJK Jungbusch (Deutsche Jugendkraft). Sie wollen ab sofort mit einem speziellen Mentoren-Programm ganz gezielt Demokratie-Feinden auf die Sprünge helfen.

Nationale, radikale und fundamentalistische Töne: Im multikulturellen Hafenviertel - Schmelztiegel für viele und vieles - sind die Verantwortlichen immer wieder damit konfrontiert. Doch nun habe der Umgang der Gruppen untereinander, angefacht durch Hass und Feindbilder in den Sozialen Medien, aber auch durch das Türkei-Referendum, eine Form angenommen, die man nicht länger tolerieren könne. "Wir dürfen hier keine Parallelgesellschaft dulden", sagt Michael Scheuermann, Quartiermanager und Vorsitzender im noch jungen Sportverein.

Verflixtes siebtes Jahr

Die DJK hat sich in den vergangenen Jahren zwar vom kleinen Jungbusch-"Baby" zur respektablen Multikulti-Truppe mit 200 Mitgliedern, zwölf Gruppen, fünf Sportarten und 80 ehrenamtlichen Helfern aus aller Herren Länder gemausert. Doch erwachsen sei man deshalb noch lange nicht, sagt Michael Scheuermann. Christen, Muslime, dazu die Zugewanderten, Flüchtlinge: "Da ist es nicht leicht, immer den richtigen Weg zu finden." Bei einem Ligaspiel der Herrenmannschaft in der Fußball-Kreisklasse kam es 2016 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen - ein Schock im "verflixten siebten Jahr". Zwischen Vorstadtleben und ländlichem Raum: "Da prallen mitunter Welten aufeinander", sagt Scheuermann: "Das hat uns klar gemacht, mit welchen Realitäten wir es hier zu tun haben." Rassismus, aggressives Verhalten auf dem Platz, Wut - da gibt es jede Menge Konfliktpotenzial. Zur Tagesordnung wollte und konnte man danach nicht übergehen. Stattdessen reifte die Erkenntnis: "Wir müssen uns auf die Menschen einlassen und ihnen erklären, wie wir hier zu friedlichen Konfliktlösungen kommen, und dem Werteverlust etwas entgegensetzen." Schulung in Demokratie und die Wertevermittlung sind für Scheuermann daher wichtige gesellschaftliche Herausforderungen. Offen reden, erklären, (Selbst)Bewusstsein formen - all dies sei mühsam, aber dringend nötig.

Das Ziel: Vermitteln, dass es andere Werte als nationalistische gibt, und lernen, friedlich miteinander umzugehen. Das Vereinsleben bietet dazu eine gute Plattform. Scheuermann: "Wir sehen die DJK Jungbusch als große Chance, Zugehörigkeit - auch zur Gesellschaft insgesamt - zu vermitteln." Als Coach für das mentale Trainingsprogramm haben die Verantwortlichen den Kommunikationsprofi und Nachtwandel-Organisator Bernd Görner gewonnen.

Unterstützt wird das Projekt von der örtlichen Baufirma Sax + Klee sowie vom Badischen Fußballverband (BFV). Der zeigte sich jetzt bei einem Gespräch vor Ort beeindruckt von dem Vorhaben und lobte, wie im Jungbusch Sport und sozial-integrative Arbeit verknüpft werden. Beim BFV plant man ebenfalls, die Schiedsrichter in kultureller Kompetenz zu schulen, und möchte die DJK dabei einbinden.

All dies sei aber "kein Zuckerschlecken" und brauche seine Zeit, so Scheuermann. Dazu fehlen Fördergelder, das Programm "Chancen in der Arrival City" ist im November 2016 ausgelaufen. Konsequenz: Die DJK wurde zwar über Jahre mühsam aufgebaut. "Doch nun haben wir null finanzielle Mittel", sagt der Vorstand und gibt zu: "Das macht uns großen Kummer."

Ungeachtet dessen findet am 21. Mai, ab 14 Uhr, in der Werftstrarße zum siebten Mal der Spendenlauf "Runtegrate" statt. Ab sofort können sich Interessierte unter www.runtegrate.de oder der Telefonnummer 0621/1 49 48 dafür anmelden und auf diese Weise zum friedlichen Miteinander im 80-Nationen-Quartier beitragen.

 

  • Die DJK Mannheim-Jungbusch wurde als Abteilung des Sportverbands DJK Mannheim e.V. im Januar 2010 gegründet. Derzeit hat sie 200 Mitglieder.
     
  • Hauptziel ist, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dem sozialökonomisch belasteten Stadtteil eine Freizeitbeschäftigung zu bieten. Dabei soll neben dem Sport ein Kulturangebot geschaffen werden, das den Zusammenhalt stärkt und langfristig soziale und kulturelle Integrationsprozesse fördert.
  • Neben vier Fußballmannschaften und einer Mädchenfußballgruppe gibt es Angebote in den Sportarten Ballett, Frauengymnastik, Volleyball und Basketball. Von 80 ehrenamtlichen Helfern sind 30 kontinuierlich als Übungsleiter tätig. Die
     
  • DJK Jungbusch kooperiert mit den Schulen, Stadtteilorganisationen und Moscheen.
     
  • Eine sportliche Großveranstaltung ist der „Runtegrate“, der am 21. Mai, 14 Uhr, zum 7. Mal in Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftszentrum, dem Bewohnerverein, dem Internationalen Mädchentreff und der Mannheim Businessschool stattfindet. Infos auf www.runtegrate.de
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In den Startlöchern: die Fußball-Mädchen der DJK Jungbusch mit Betreuerin Meryem Atici (l.). Sie wollen demnächst als Team in der Liga antreten.