Weltspitze im Visier

Erstellt von Markus Mertens, MM || Cheerleading
Die Cheerleadertruppe Pro Spirit Allstars will zu den Weltmeisterschaften im kommenden Jahr in die USA reisen

In Deutschland gilt Cheerleading oft noch als optisches Beiwerk des eigentlichen Sports, der von Football bis Basketball erst folgt, wenn Pompoms und strassbesetzte Flitteroutfits das Spielfeld schon verlassen haben. Dass es sich bei jener Disziplin, die agile Tanzschritte mit rasenden Turn-Choreographien und stilvoller Akrobatik verschmilzt, um einen eigenständigen Sport jenseits aller Spielfelder handeln könnte, ist bislang weder in den Köpfen der Zuschauer, noch bei den Offiziellen der deutschen Sportwelt wirklich angekommen. Denn auch, wenn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den Cheerleading und Cheerdance Verband Deutschland im Dezember 2017 als einen seiner Mitgliedsverbände aufnahm: Einen offiziell anerkannten und öffentlich förderbaren Sport betreiben Deutschlands Cheerleader deswegen noch nicht.

Als Yanina Reinhardt an diesem Abend das Erwachsenenteam der „Jaguars“ im Ludwigshafener Turnzentrum einmal mehr nach vorne peitscht, um in die gemeinsamen Choreographien noch mehr Präzision, in die versammelten Blicke während der Hebefiguren noch mehr Ausdruck zu bringen, mischt sich auch ein wenig Trotz in ihre Stimme. Denn obwohl die „Pro Spirit Allstars“ als offizieller Teil des Mannheimer DJK gerade in Richtung Weltspitze streben, haben die 16 Cheersportler und ihr Trainerstab gerade noch mit ganz anderen Herausforderungen als jenen auf der Matte zu kämpfen.

Noch keine drei Monate ist es her, als das gemischte Team aus der Quadratestadt mit dem frischen Trainergespann zu einer offenen Europameisterschaft in den Bottroper Movie Park aufbrach, um sich und die eigenen Fähigkeiten bei internationaler Konkurrenz zu testen – und überraschend zu triumphieren. Zwar hatte Reinhardt ihr Team nach einem halben Jahr gemeinsamer Trainingszeit schon sehr stark eingeschätzt, „doch dass wir uns mit 6,5 Punkten als bestes deutsches Team qualifizieren, war schon der Wahnsinn“, wie die Trainerin sich erinnert - und neben dem lachenden auch ein weinendes Auge offenbart.

Denn während US-amerikanische Cheerleading-Teams wie selbstverständlich über finanzstarke Sponsoren verfügen, durch Auftritte zusätzliche Gelder generieren und somit auch die Anerkennung des Sports in ganz anderen Dimensionen rangiert, „wird es deutschen Teams unendlich schwer gemacht, sich auf größeren Wettbewerben zu präsentieren“, wie Reinhardt anfügt - und dafür durchaus Beispiele vorlegen kann. Denn ob Kostüme anzufertigen sind, Übernachtungen bezahlt werden müssen oder die Anreise zu Meisterschaften anfällt: Bezahlen müssen das oft allein die Tänzer und ihre Familien. Für junge Menschen zwischen Abitur und Studium, die ihrem Sport schon durch die vier wöchentlichen Trainingseinheiten zeitlichen Tribut zollen, ein Kampf um jeden Euro.

Ena Vecevic entdeckte die Faszination Cheerleading schon im Alter von zehn Jahren für sich, fand im Cheersport genau jene Kombination der Disziplinen, die ihr das Äußerste abverlangte - und im zunehmenden Erfolg die Bestätigung gab, selbst die schwierigsten Situationen in ihrem Leben meistern zu können. Dass die junge Wirtschaftspädagogik-Studentin für ihr Training zwischen Vorlesung und Minijob auf ein sonstiges Privatleben weitgehend verzichtet - für die heute 24-Jährige ein Akt der Überzeugung: „Wenn man die Perfektion von Teams wie ‚Top Gun’ schon als kleines Mädchen im Internet gesehen hat und weiß, dass man sich vor Ort mit ihnen messen kann, ist das unbegreiflich. Diese Weltmeisterschaft in Florida ist mein größter Traum!“

Ein Traum, der die „Pro Spirit Allstars“ rund 35 000 Euro kosten wird. Allein der Flug nach Florida für 16 Tänzer, drei Trainer und drei Betreuer geht in die Tausende, „das Ferienhaus, Leihwagen und unser Startgeld kommen noch hinzu“, wie Yanina Reinhardt vorrechnet, und doch nicht klagen will. Denn die routinierte Cheersportlerin weiß selbstverständlich, auf was sie sich eingelassen hat, „doch wir wollen die Chance nutzen, die Menschen durch Leistung von unserem Sport zu überzeugen.“

Oder wie es der 18-jährige Kevin Machado, der jede Woche aus Kaiserslautern zum Training anreist, ausdrückt: „Wenn Vertrauen, Sport und Zusammenhalt eins werden – dann bist du Cheerleader.“

 


240a577592.jpg